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Warum wir öfter manipuliert werden, als wir denken

Es gibt rund 200 psychologische Effekte, so genannte Behavior Patterns, die unbewusst unsere Entscheidungen im Alltag lenken. Viele davon hast du sicher auch schon erlebt.

Wir treffen jeden Tag bis zu 20.000 Entscheidungen, viele davon unbewusst. Nochmal auf den Snooze-Button drücken, das heutige Outfit und lieber den Salat oder ein Dessert essen. Doch wo Entscheidungen getroffen werden, ist auch Raum für Beeinflussungs- und Manipulationsmöglichkeiten. Wusstest du beispielsweise, dass du weniger isst, wenn du beim Buffet im Restaurant einen kleineren Teller bekommst? Oder lieber zum Salat greifst, wenn das leicht zugänglich im Eingangsbereich und die Desserttheke unattraktiv gelegen ist? Steffen Ronft ist Fachdozent für Marketing, Werbe- und Eventpsychologie an der SRH Fernhochschule und kennt die Tricks.

Warum lassen wir uns durch bestimmte Effekte psychologisch beeinflussen?

Die Welt um uns herum ist sehr komplex. Unsere limitierten kognitiven Fähigkeiten führen dazu, dass der Mensch auf Vereinfachungen und bereits erlernte Muster zurückgreifen muss. Die Verhaltensökonomie, auch Behavioral Economics bezeichnet, befasst sich mit bewussten wie unbewussten Entscheidungsmustern und damit einhergehenden Denkfehlern und Verzerrungen. Das sogenannte Nudging ist wiederum ein von Wirtschaftsnobelpreisträger Richard Thaler und Cass Sunstein geprägter Begriff für eine bestimmte Art der psychologischen Beeinflussung. Durch Nudging soll das Verhalten von Menschen zu deren Wohl beeinflusst werden, ohne dabei auf explizite Gebote, Verbote oder ökonomische Anreize zurückzugreifen. Der umgangssprachlich als Lebensmittel-Ampel bezeichnete Nutri-Score ist beispielsweise so ein Instrument, das uns ohne Zwang auszuüben zum Nachdenken über unser Ess- und Einkaufsverhalten bringen soll.

So gibt es rund 200 psychologische Effekte, so genannte Behavior Patterns, die unbewusst unsere Entscheidungen im Alltag lenken. Viele davon hast du sicher auch schon erlebt:

Stell dir vor, du bekommst bei Bäckereien nach jedem Einkauf einen Stempel auf eine Sammelkarte. Wenn diese vollständig abgestempelt ist, bekommst du ein Gratisbrot. Bei einer Bäckerei bekommst du eine Karte mit fünf leeren Feldern. Bei einer anderen Bäckerei bekommst du eine Karte mit insgesamt zehn Feldern, wovon fünf allerdings schon abgestempelt sind. Aufgrund des Endowed Progress Effects ist es nun wahrscheinlicher, dass du die bereits begonnene Stempelkarte des zweiten Bäckers weiterführst. Du möchtest diesen psychologisch bereits begonnenen Prozess abschließen. Je weiter dein – zumindest gefühlter – Fortschritt in einem Prozess ist, desto größer wird deine Motivation. Rational betrachtet ergibt sich übrigens kein Unterschied, da bei beiden Karten noch fünf Einkäufe bis zum Gratisbrot notwendig sind. Nur deine eigene Wahrnehmung macht hier den Unterschied.

Bei der Price-Quality Illusion geht es nicht nur um unser Einkaufsverhalten, sondern auch um die Wahrnehmung von Produkten und Dienstleistungen. Ein gut erforschtes Beispiel hierfür ist die Geschmackswahrnehmung von Wein. Der identische Wein wird von Menschen als qualitativ hochwertiger wahrgenommen, wenn dieser mit einem höheren Preis versehen wird. Es lässt sich sogar auf neurologischer Ebene belegen, dass bei Genuss von vermeintlich teuren Weinen mehr Glückshormone ausgeschüttet werden. Es macht auch einen Unterschied, ob du den identischen Wein aus einem Plastikbecher oder edlen Kristallglas trinkst. Teste dies doch auch gerne mal, wenn du Freunde zu Gast hast. Je exklusiver du dein Setting gestaltest und im Vorfeld von den Besonderheiten dieses angeblich seltenen Weines schwärmst, desto besser wird es den Gästen schmecken.

Eine typische Limitation des Menschen ist es, Wahrscheinlichkeiten und Risiken nicht rational einordnen können. Die so genannte Zero-Risk Bias beschreibt, dass wir lieber ein kleines Risiko ganz ausschließen, als ein größeres Risiko zu einem weitaus größeren Teil zu reduzieren. So lässt sich die hohe Wirksamkeit von Geld-Zurück-Garantien, Bestpreis-Versprechen und Reise- und Rücktrittsversicherungen erklären. Hand aufs Herz, würdest Du nach 100 Tagen noch eine Matratze oder Sportbekleidung wieder zurück geben? Oder in einem Restaurant mit Zufriedenheits-Garantie dem Chefkoch sagen, dass es dir nicht geschmeckt hat und du nicht bezahlen möchtest? Für viele Anbieter sind daher solche Versprechen leicht umzusetzen. Die Vorteile der psychologischen Entlastung der Kund:innen bei der Kaufentscheidung überwiegen die Risiken des tatsächlichen Reklamationsverhaltens. Hast du nicht auch schon mal etwas gekauft, bei dem dich eine Geld-Zurück-Garantie überzeugt hat?

Was kann ich als Verbraucher tun, um solche Effekte besser zu erkennen?

Man sollte sein Einkaufsverhalten regelmäßig reflektieren. Warum habe ich mich für ein Produkt entschieden? Würde ich das gleiche Produkt in der heutigen Situation wieder so kaufen? Das beste Mittel gegen Fehlentscheidungen ist übrigens ein Altbewährtes: Eine Nacht darüber schlafen. Viele Behavior Patterns wirken situativ. Hier kann ein bewusstes Nachdenken mit etwas Abstand nochmal einen anderen Blick geben. Und bei wichtigen Entscheidungen: Argumentiere doch mal gegenüber Freund:innen, warum du konkret dieses Produkt kaufen möchtest. Im Dialog zeigt sich dann häufig, welche rationalen, aber auch irrationalen Aspekte tatsächlich für deine eigene Kaufpräferenz ausschlaggebend sind.

50 solcher Effekte hat Steffen Ronft auch in seinem neu erschienenen Buch Eventpsychologie – Veranstaltungen wirksam optimieren mit Beispielen aus einem Veranstaltungskontext zusammengefasst. Sicher entdeckst auch du dort Situationen, die du schon selbst erlebt hast. Das Buch ist als Hardcover und eBook erhältlich und für Studierende der SRH Fernhochschule kostenfrei über SpringerLink downloadbar.

Über die Autorin

Lea-Anna Hurler ist seit Februar 2020 die Ansprechpartnerin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an der SRH Fernhochschule – The Mobile University. Als Kauffrau für Marketingkommunikation bringt sie aus der IT-Branche außerdem Erfahrung mit agilen Methoden und New Work mit. Ihre Begeisterung für Texte und die vielfältigen Themen der Fernhochschule haben sich gesucht und gefunden